UNICEF: Die Landminen-Aufkleber

Die Ausgangslage.

In vielen Regionen dieser Erde gehören Landminen immer noch zum Alltag. Für die Menschen in diesen Regionen bedeutet das, dass jeder Schritt lebensgefährlich sein kann.

Um die Menschen auf diesen Umstand und die Notwendigkeit zur Hilfe aufmerksam zu machen, trat UNICEF an die Agentur Leo Burnett GmbH, Frankfurt heran, um eine Kampagne zu diesem Thema zu kreieren.

Die Idee.

In vielen Ländern sind Landminen für Zivilisten noch immer eine heimtückische Gefahr. Dies sollten Passanten am eigenen Leib spüren: Rund um Info-Stände von UNICEF wurden Minenaufkleber ausgelegt. Auf der selbstklebenden Oberseite war Straßenbelag abgebildet, auf der Unterseite eine Landmine. War man hinein getreten und wollte sie abziehen, so sah man die Mine auf der Unterseite und die Botschaft, dass man an vielen anderen Orten der Welt genau in diesem Moment verstümmelt worden wäre. Durch die unmittelbare Erfahrung sollte das Interesse an Informationen und die Spendenbereitschaft steigen.

UNICEF_steckbrief

Quelle: adsoftheworld.com

UNICEF_landminen-sticker

Quelle: reklameblogger.de

Die Reaktion.

Die Passanten vor Ort waren nach kurzem Stutzen schockiert über die Botschaft an ihrem Schuh. Zum einen fand durch die unmittelbar beteiligten Passanten eine Word-of-Mouth-Verbreitung statt; zum anderen wurden auch die Medien auf diese Out-of-home/Ambient/Guerilla-Aktion aufmerksam und berichteten zahlreich darüber. UNICEF selbst stellte ein Video/Making-of dazu ins Internet, das sich schnell im Social Web verbreitete und kommentiert wurde. Dadurch wurden viele Menschen erreicht, das Thema wurde in den Fokus gerückt und Bewusstsein wurde geschaffen.

Das Video.

http://vimeo.com/23254288#

Die Bewertung.

Die Werbeakzeptanz dieser Ambient/Guerilla-Aktion ist sehr hoch. Zum einen dadurch, dass eine enorme Glaubwürdigkeit durch das soziale Thema und den Absender UNICEF gegeben ist, zum anderen durch die Relevanz dieses sozialen Missstandes. Durch das außergewöhnliche Format, die außergewöhnliche Idee der Sticker, wird der Rezipient Teil dieses Missstandes und kann diesen bedingt miterleben – natürlich ohne eigentliche Explosion. Das Interesse ist geweckt, das Bewusstsein diesem Thema gegenüber wird geschaffen, gerade durch die außergewöhnliche Darstellung, eben das Anfassbare und die Ich-Beteiligung.

Die Formale Kontaktqualität ist ebenfalls hoch. Zwar ist die Reichweite der Ambient/Guerilla-Aktion auf die Passanten vor Ort beschränkt, durch die Berichterstattung der Medien und der Verbreitung im Social Web vervielfacht sich die Reichweite allerdings deutlich. Die Kontaktdauer ist zwar sehr gering, die Intensität allerdings umso höher. Gerade durch die erwähnte Beteiligung der Rezipienten an dieser Aktion erleben sie diesen Missstand am eigenen Leib mit. Intensiver als die Botschaft selbst zu erleben – in abgeschwächter Form – geht es wohl kaum!

Die Werbewirkung ist demnach sehr hoch. Die Aktion ist sehr aufmerksamkeitsstark. Jeder, an dessen Fuß ein Sticker kleben bleibt, wird mit dem Thema konfrontiert. Durch die UNICEF-Stände in unmittelbarer Umgebung wird das Thema und die Dringlichkeit zur Hilfe verstärkt. Die drastische Aufschrift auf den Stickern „In vielen Ländern wären Sie jetzt verstümmelt!“ regt zum Nachdenken an und verändert so die Einstellung zu dem Thema, schafft Bewusstsein. Durch die Präsenz von UNICEF (Stände) am Platz der Aktion, wird zudem der Weg geebnet, direkt nach dem Denkprozess weitere Informationen einzuholen, zu Spenden, etc. Somit kann schnell und einfach eine Verhaltensabsicht generiert werden.

Die geringen Kosten der Sticker und der Anbringung verschwinden förmlich gegenüber dem extrem hohen Nutzen der Aktion.

Der „Innovations-Faktor“.

Würde eine Kampagne zum Thema Landminen auch so eine hohe Wirkung zeigen, wenn sie auf konventionelle Art wie beispielsweise auf Plakaten und Flyern kommuniziert werden würde? Ich denke nicht. Der Ambient/Guerilla-Aktion macht die Kampagne und das Thema Landminen erlebbare. Die Passanten sind betroffen, werden in die Kampagne integriert und selbst zu „Opfern“ von Landminen. Das Thema wird für sie anfassbar. Diese intensive Wahrnehmung wäre über Plakate oder Flyer, egal wie provokativ diese sind, nicht möglich. Diese starke und deutliche Wirkung wird also erst durch diese unkonventionelle Darstellung, diese innovative Idee ermöglicht. Durch den kommunizierten Absender UNICEF und die realitätsnahe Darstellung der Landminen, auch wenn es ein wenig drastisch ist, wird zudem die Glaubwürdigkeit gesteigert.

Eine weitere Frage ist die über die Wertigkeit der Medienberichterstattung. Kann die Kampagne auch ohne diese funktionieren? Oder zeigt die innovative Kampagne erst ihre volle Wirkung durch die Kommunikation über sie?

Festzuhalten ist, dass die innovative Ambient/Guerilla-Aktion eine hohe Wirkung, allerdings eine sehr geringe Reichweite aufweist. Die Kampagnenaussage wird deutlich und zeigt bei den Passanten ihre Wirkung, regt diese zum Nachdenken an und verweist auf die UNICEF-Stände in offensichtlicher Nähe für weitere Informationen etc. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass erst durch das im Social Web verbreitete Video von UNICEF und die Medienberichterstattung eine riesige Reichweite erlangt wird, das Thema diskutiert und so viel tiefer in den Köpfen der Menschen verankert wird – und das flächendeckend. Die eigentliche bzw. mögliche Wirkung dieser innovativen Kampagne kann somit erst durch die Kampagne selbst und das Zusammenspiel mit dem Social Web und den Medien erreicht werden. Nur so kann das Potential der Kampagne völlig ausgeschöpft werden.

Als Fazit ließe sich also ziehen, dass die Kampagne auch ohne die Medien und Co funktionieren könnte, erst durch diese aber sich zur vollen Größe entfalten kann.

Wie steht ihr zu diesen Ansätzen? Habt ihr eine Meinung dazu? Wer kommuniziert, die Kampagne oder aber erst die Medien? Was haltet ihr überhaupt von der Kampagne? Gut/schlecht? Wird dadurch eurer Meinung nach wirklich Bewusstsein geschaffen?

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1 Response to UNICEF: Die Landminen-Aufkleber

  1. Paulina says:

    Ich finde diese Kampagne auch bemerkenswert. Zum einen wird die Idee, dass man wortwörtlich auf eine Miene tritt, wie du schon geschrieben hast, von den Passanten erlebt. Das hat zur Folge, dass dieser Schockmoment dahingehend aktiviert, dass man zu schätzen weiß, wie gut es uns hier geht und dass wir uns sicherer fühlen können, als die Betroffenen in ihrem jeweiligen Land. Zum anderen finde ich sie formal ausgezeichnet umgesetzt. Sie ist auf den ersten Blick unscheinbar, dadurch dass es nur einfache Sticker sind, die aber dieses Versteckte, Unerwartete und dann das “Auftreten” so gut nachbilden, dass sie in der Wirkung umso extremer und stärker rüberkommt.. Insofern fühlt man sich auf jeden Fall betroffener, wenn man solch einen Aufkleber am Schuh findet. Eine Plakatkampagne hätte in diesem Fall, in meinen Augen, auch nicht solch eine Wirkung gehabt, da man die Aufmerksamkeit der Rezipienten nicht gehabt hätte. Aber sobald man in den persönlichen, körperlichen Bereich vordringt, scheint die Aufmerksamkeit auf alle Fälle gegeben.
    Interessant wäre hier zu wissen, ob bei den innovativen Kampagnen tatsächlich auch das Spendenvolumen immer größer ist als bei herkömmlichen Fällen…

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